Better late than never, right? Ich möchte mich zuerst bei den zigtausenden Leser:innen dieses Blogs entschuldigen, dass Friedl, Freude, Eierkuchen diese Woche auf sich warten ließ. Bei aller Passion für die Raben aus Baltimore beziehungsweise Leidenschaft für dieses Projekt hier geht das Privatleben – oder in dem Fall eher das berufliche – am Ende des Tages dennoch vor. Nachdem ich diese Woche für meine Biere in Norwegen locker doppelt so viel Geld wie in Österreich ausgeben durfte, bin ich rechtzeitig zum Wochenende wieder im Lande. Daher werde ich es den heimischen Bierpreisen [im Vergleich zu jenen in Norwegen] gleichtun und diese Kolumne quasi halbieren. Doch nicht nur das! Als Schöpfer dieser so hochgepriesenen Kolumne ändere auch noch die Spielregeln. Warum? Ganz einfach: Weil ich es kann!
Wäre nicht der kleine aber feine – *hust* und wie von einem gewissen Jemanden thematisierte *hust* – Schönheitsfleck gegen die Indianapolis Colts gewesen, wären die Ravens nahezu perfekt in diese Saison gestartet. Und das ob der anhaltenden Verletzungsmisere, die mein Kollege Nils in der neuesten Ausgabe seiner Zinssätze ausführliche debattierte. Will heißen, positive Aspekte gibt es in der bisherigen Saison zuhauf. Etwas, dass der Rest der AFC North momentan nur bedingt von sich behaupten könnte. Und wie es der Zufall so haben will, kommt es für die Ravens in Woche 5 zum bereits dritten Auswärts-Division-Duell. Deswegen nehme ich die positiven Punkte mit und erläutere in der aktuellen Ausgabe kurz, warum ich davon ausgehe, dass die Ravens den so gehassten Pittsburgh Steelers am Sonntag den Allerwertesten versohlen werden.
Bring on Renegade!
In den letzten Tagen kursierten vermehrt die Win-Loss-Records zwischen den Ravens und den Bengals (7-1) respektive Browns (7-2) mit Lamar Jackson als Starter durchs Netz. Selbst für jemanden, der einen feuchten Dreck auf QB-Wins gibt, sind diese Records extrem beeindruckend. Nicht ganz so rosig sieht es allerdings gegen DEN Erzrivalen aus Pittsburgh aus. Aufgrund von Verletzungen/Krankheiten trat Lamar insgesamt erst dreimal (!) von Beginn an gegen die Steelers (2021 das letzte Mal, lol) an und musste dabei zwei Niederlagen einstecken. Zeit also, diese Statistik auszugleichen und eine der verhasstesten und traditionsreichsten Rivalitäten des Sportes um ein Kapitel zu erweitern.
Steelers Week for the Ravens in Pittsburgh?
— Kevin Oestreicher (@koestreicher34) October 5, 2023
Bring on Renegade pic.twitter.com/MpbCACh1Lb
Wenn wir schon bei Verletzungen sind: Währenddessen Starting-QB Kenny Smallhands Pickett fit für das Aufeinandertreffen sein dürfte, werden TE Pat Freiermuth, RG James Daniels und LT Dan Moore Jr. das Spiel verpassen. Ebenfalls nicht mit von der Partie sind die beiden Stars DL Cameron Heyward und WR Diontae Johnson, die sich momentan beide auf der Injury-Reserve-Liste befinden. Die Ravens durften sich hingegen gleich über mehrere Lichtblicke in dieser Hinsicht freuen. S Marcus Williams und WR Rashod Bateman sind wieder voll einsatzfähig. Bei LT Ronnie Stanley, WR Odell Beckham Jr., RB Justice Hill UND CB Marlon Humphrey gibt es ebenfalls Grund zum Optimismus. Das würde damit vor allem der Offense zusätzlichen Aufschwung geben. Kein schlechtes Vorzeichen, wenn es gegen die traditionell so starke Defense der Steelers geht. Und genau auf dieses Duell werde ich morgen auch am gespanntesten schielen. Aber lasst uns erst einmal gemeinsam einen Blick darauf werfen.
New Era vs. Old School
Die neue Ravens-Offense dürfte nicht nur in den NFL-Podcasts eures Vertrauens großes Thema gewesen sein in den letzten Wochen und Monaten. Nein, auch meine Wenigkeit hat sich im Zuge dieser Kolumne schon mehrmals die Finger darüber wund geschrieben. Auch wenn das ganz große Feuerwerk im Passing Game (7,0 aDOT, Platz 25 in der Liga) bisher noch ausgeblieben sein mag, so sehen zumindest die Effizienz-Zahlen mehr als beachtlich aus: Rang 10 in Offensive DVOA, 0,013 EPA/Play (Platz 15), 47,6 % Success Rate (Platz 5) und eine absurde – und so auch nicht haltbare – 80 % Conversion Rate in der Red Zone (Platz 1). Bedenkt man dabei, dass vor allem die EPA-Zahlen von den horrenden Fumble-Statistiken (acht Fumbles, vier davon verloren) nach unten gezogen werden, dann würde ich das bereits als beachtlichen Teilerfolg verbuchen.
Die Statistik, die mir persönlich jedoch am besten gefällt? Bei all den Änderungen bleibt eine Konstante gleich: Lamar Jackson ist ein Gamechanger. Selbst ohne RB JK Dobbins haben die Ravens eines der explosivsten Running Games der Liga. Mit 22 Rushing Big Plays (10+ Yards) führt man die Liga an, Lamar Jackson alleine verzeichnete 10 davon und liegt damit laut PFF ligaweit auf Platz 2. Nur All-World-RB Christian McCaffrey hat mehr. ‚Good old Ravens Football‘ also! Mit noch etwas mehr Deep Shots auf WR Zay Flowers – der hier in limitierter Action phasenweise überragend aussieht – und diese Offense könnte scary gut werden.
Most big plays in the NFL through Week 4: pic.twitter.com/xxDqcSxO4R
— Marcus Mosher (@Marcus_Mosher) October 3, 2023
Apropos ‚goold old‘: Kaum eine Franchise in der NFL steht historisch gesehen dermaßen für Defensive-Football wie die Pittsburgh Steelers. Wenngleich einige Defensiv-Statistiken dieses Jahr noch nicht auf gewohntem Niveau sind (Platz 14 in EPA/play, Platz 17 in Success Rate, Platz 25 in Yards/Play), hat Pittsburgh immer noch elitäre Playmaker und Difference-Maker. Das unterstreichen auch die bereits acht erzwungenen Turnover in der laufenden Saison. Aushängeschild T.J. Watt sorgt wie gewohnt auch in 2023 für Chaos im gegnerischen Backfield (6 Sacks und 18 Pressures bedeuten jeweils Platz 1 bzw. 2 in der Liga) und Running Mate Alex Highsmith (1 Sack, 9 Pressures, 1 FF diese Saison) war in den vergangenen Duellen mit Baltimore ebenfalls stets ein Gefahrenherd. Ein Ziel dürfte für Minkah Fitzpatrick und Co. somit auf jeden Fall klar sein: Man darf defensiv nicht mehr als 20 Punkte zulassen. Denn in den letzten 23 Spielen, in den das passierte, steht man bei einer desaströsen Statistik von 1-22. Big Y-I-K-E-S!
Pretty Offensive
Wo wir bereits beim zweiten großen Themenblock dieser Ausgabe wären. Das einzige, was an der Steelers-Offense bisher nämlich offensive ist, sind die absolut miserablen Zahlen, die sie auflegen:
- -0,214 EPA/Play (Platz 31)
- 36,2 % Success Rate (Platz 31)
- Platz 29 (Pass Pro) bzw. 30 (Run Block) in den Composite-Offensive-Line-Rankings von Ben Baldwin
- Platz 30 für Kenny Pickett im EPA+CPOE Composite Ranking
- Und mein Liebling: 52 aufeinanderfolgende Spiele ohne 400 Yards in Total Offense (4th longest streak seit 2000)
Hätte man es mit den Steelers, man müsste wohl speiben und weinen gleichzeitig. Aber das mache ich glücklicherweise nicht, also lache ich mir ins Pickett-große Fäustchen. Als Ravens-Fan sage ich da nur: Let Steelers OC Matt Canada cook!
Auf dem Papier also ein kolossales Missmatch. Die Ravens mussten sich zugegebenermaßen bisher nicht mit den schwierigsten Aufgaben auf der QB-Position herumschlagen und dennoch sind die Werte extrem beeindruckend. Platz 4 nach Defensive DVOA, Platz 3 nach EPA/Play und Platz 2 in Success Rate. Defensive Coordinator Mike Macdonald holt das absolute Maximum aus seiner angeschlagenen Unit raus.
Daher können wir davon ausgehen, dass die äußerst variable und disziplinierte Baltimore-Defense morgen erneut für Furore sorgen will. Besonderes Augenmerk dürfte dabei auf den Linebackern Roquan Smith und Patrick Queen liegen. Die beiden spielen momentan wie das beste LB-Duo der Liga und sind Sinnbild für den Aufschwung der gesamten Unit. Roquan ist der derzeit am höchsten bewertete LB der Liga nach PFF (89,4 Grade), erlaubt gegnerischen QBs ein mageres Rating von 65,5 in Coverage und verpasst gerade einmal 4,4 % seiner Tackles. Film und Stats sprechen eine eindeutige Sprache: Dieser Mann ist absolut ELITE seit seinem Trade nach Baltimore letztes Jahr. Doch gleichzeitig weiß er auch, dass ihn erst ein Sieg gegen Pittsburgh zu einem wahrhaftigen Raven macht.
Roquan Smith: “I remember last year: You’re not a Raven until you beat the Steelers. I carry that over into this year. I’m not a Raven this season until I beat the Steelers. I take pride in being a Raven. I want to make sure I earn that right as well.” pic.twitter.com/IWkDMPXZOj
— Jamison Hensley (@jamisonhensley) October 4, 2023
Einen ähnlichen Aufwärtstrend erlebt momentan auch Patrick Queen. War er zu Beginn seiner Karriere oft viel zu langsam im Diagnostizieren von Plays und in der tatsächlichen Ausführung dann zu aggressiv, so findet der ehemalige LSU-Tiger immer mehr seinen Platz in Baltimore. Die Präsenz von Roquan erlaubt es ihm aggressiver downhill zu attackieren und seine unfassbare Kombination aus Explosivität und Speed ermöglicht es ihm Plays von Sideline to Sideline zu generieren. Nachdem er im College einen rapiden – jedoch sehr kurzen – Aufstieg hinlegte, merkt man wie das Spiel mittlerweile langsamer für den immer noch erst 24-Jahre-alten LB wird. Nichtsdestotrotz scheint eine keine Sache immer noch im Hinterkopf hängen geblieben zu sein: Eine Auseinandersetzung aus seiner Rookie-Saison mit Steelers HC Mike Tomlin. Ich würde meinen Tinder Twitter-Account darauf verwetten, dass er morgen zeigen will, dass er sehr wohl ein richtiger Raven ist.
Here's the full video of Patrick Queen sharing the exchange he had with #Steelers HC Mike Tomlin during his rookie season:
— Bobby Trosset (@bobbybaltimoree) October 4, 2023
"I don't care if he was joking, I don't care if he was serious. At the end of day, I'm on your sideline and you're telling me I'm not a Raven. It's kind of… pic.twitter.com/DiMawNSLpg
Mit einem angeschlagenen QB, einer durchlöcherten OL, jedoch zwei passablen bis guten RBs dürfte der potenzielle Match-Plan von Matt Canada genügend Möglichkeiten dafür bieten. Ich wäre nicht überrascht, wenn Pittsburgh versucht, offensiv Tempo aus dem Spiel zu nehmen, den Ball und damit die Uhr zu kontrollieren und der eigenen Defense dann Chancen auf TO zu geben. Roquan. Patrick. It’s your time to fly!
Und damit mache auch ich einen Punkt. Das Versprechen mich kurzzuhalten, habe ich genau so gebrochen, wie Twitter-Darling Henri jenes um das Ende seines Anthony-Richardson-Grinds. Wer dennoch noch mehr zum morgigen Match-Up erfahren will, denn lege ich den Podcast meiner großartigen Kollegen Malte und Benno ans Herz. Wir lesen uns nächste Woche wieder zur gewohnten Zeit, am gewohnten Ort – hoffentlich mit dem nächsten Sieg im Gepäck!